In einem Rechtsstreit um Zahlungen von Urlaubsabgeltung vor der 4. Kammer des Arbeitsgerichtes Chemnitz (4 Ca 327/18) erschien die beklagte Arbeitgeberseite nicht. Mit der Klage auf Urlaubsabgeltung wurde zugleich die Zahlung einer Schadensersatzpauschale von 40 € gefordert. In der Entscheidung des Gerichtes wurde die Klage auf Zahlung der Schadensersatzpauschale zurückgewiesen.
Zu den Gründen trägt das Gericht folgendes vor :
Gemäß § 288 Abs. 5 S. 1 BGB hat der Gläubiger einer Entgeltforderung bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, ungeachtet eines Anspruchs auf Verzugszinsen oder sonstigen Verzugsschadens einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale i.H.v. 40 €. Mit dieser Vorschrift des Art. 6 Abs. 1 und 2 der europäischen Richtlinie 2011/7/EU ist zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr in deutsches Recht umgesetzt worden (BR- Drucksache 154/14, S. 19). Art. 6 der EU-Richtlinie 2011/7/EU lautet:
„Entschädigung für Beitreibungskosten
Abs. 1
die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass in Fällen, in denen gemäß Art. 3 oder Art. 4 im Geschäftsverkehr Verzugszinsen zu zahlen sind, der Gläubiger gegenüber dem Schuldner einen Anspruch auf Zahlung eines Pauschalbetrages von mindestens 40 € hat.
Abs. 2
die Mitgliedsstaaten stellen sicher, dass der in Abs. 1 genannte Pauschalbetrag ohne Mahnung und als Entschädigung für die Beitreibungskosten des Gläubigers zu zahlen ist.
Abs. 3
der Gläubiger hat gegenüber dem Schuldner zusätzlich zu den in Abs. 1 genannten Pauschalbetrag einen Anspruch auf angemessenen Ersatz aller durch den Zahlungsverzug Schuldner bedingten Beitreibungskosten, die diesen Pauschalbetrag überschreiten. Zu diesen Kosten können auch Ausgaben zählen, die durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts oder eines Inkassounternehmens entstehen.“
Nach ihrem Sinn und Zweck soll die Verzugspauschale den Gläubiger zu seinen Beitreibungskosten kompensieren. Dies ergibt sich ausdrücklich aus Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2011/7/EU, auf der § 288 Abs. 5 BGB basiert. Dieser Entzweck ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung (Betriebsrat Drucksache 154/14, Seite 19) und im Umkehrschluss zur Anrechnungsvorschrift in § 288 Abs. 5 S. 3 BGB. Mithin ergäbe sich ein Widerspruch zu § 12 ArbGG, der im Urteilsverfahren 1. Instanz generell einen Anspruch der unterliegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder Beistand ausschließt. Es gibt in den Gesetzesmaterialien nach Auffassung des Gerichts keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber insoweit von § 12 ArbGG abweichen wollte. Infolgedessen geht § 12 ArbGG, § 288 Abs. 5 BGB als speziellere Norm vor. Es wäre widersinnig in der 1. Instanz Verzugspauschalen nach § 288 Abs. 5 S. 1 BGB zu gewähren, die in der 2. Instanz aufgrund der Anrechnungsregel in § 288 Abs. 5 S. 3 BGB wieder auf einen etwaigen Kostenerstattungsanspruch anzurechnen werden (Arbeitsgericht Nürnberg vom 11.11.2016-12 Ca 6016/15; Arbeitsgericht Düsseldorf vom 12.05.2016-2 Ca 5416/15; Arbeitsgericht Düsseldorf vom 13.01.2017-14 Ca 3558/16; Diller NZA 2015, 1095; ErfK/Preis 17. Aufl. (2017) BGB, § 611 Rn. 466). Insbesondere den Ausführungen des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 13.01.2017-14 CA 3558/16-schließt sich das Gericht an. Danach ist § 288 Abs. 5 BGB auf arbeitsrechtliche Zahlungsansprüche nicht anwendbar. Das Gericht übersieht dabei nicht, dass die Anwendbarkeit der Verzugspauschale im Arbeitsrecht ist sehr umstritten bleibt und derzeit in der Rechtsprechung wohl überwiegend bejaht wird so u. a. LAG Niedersachsen vom 20.04.2017-5 Sa 1263/16; LAG Köln vom 2. 20.11.2016-12 Sa 524/16; LAG Berlin-Brandenburg vom 22.03.2017-15 Sa 1992/16-sowie auch verschiedene Kammern des Gerichtes Chemnitz.“
Fazit: Es kommt nun darauf an, vor welcher Kammer des Chemnitzer Arbeitsgerichtes der Rechtsstreit um Entgeltforderungen ausgetragen wird, um die Schadensersatzpauschale abgelehnt oder zugesprochen zu bekommen.
Update: Mit Entscheidung vom 25. 09. 2018 (Az: 8 AZR 26/18) entschied der 8. Senat des Bundesarbeitsgericht, dass der Anspruch auf die 40 € Schadensersatzpauschale wegen der speziellen arbeitsrechtlichen Regelung in § 12 a I Satz 1 ArbGG ausgeschlossen sei. Die Richter*innen des ArbG Chemnitz folgen dieser Entscheidung.