Nicht immer ist ein Anerkenntnisurteil zulässig

Nicht immer ist ein Anerkenntnisurteil zulässig

Nicht immer ist ein Anerkenntnisurteil zulässig

Viele Menschen sind zunächst nach Erhalt einer Kündigung geschockt. Sie sitzen vor uns und wir beraten umfassend. Oftmals wollen unsere Mandantinnen und Mandanten den Arbeitsplatz behalten, ist doch völlig unklar, ob und wie es künftig weitergeht. Doch manchmal gewinnt nach einiger Zeit die Überzeugung Oberhand, dass eine Rückkehr zum alten Arbeitsplatz doch nicht gewünscht ist. Immerhin wollte der Arbeitgeber ja nicht mehr das Arbeitsverhältnis fortsetzen und außerdem winkt manchmal bereits eine vielversprechendere neue Beschäftigung oder aber es wird (ausschließlich) eine Abfindung begehrt. Gerade letztere zahlen Arbeitgeber ungern und erklären zur (beabsichtigten) Vermeidung  einer solchen Abfindungszahlung in einem Kündigungsschutzverfahren – für gegen die Kündigung klagende Arbeitnehmer*innen urplötzlich und überraschend –  ein Anerkenntnis. Nun fragt sich, wie die gekündigte Partei damit umgehen soll.

Sie kann das Anerkenntnis natürlich annehmen und die Arbeit wieder fortsetzen. Unter bestimmten Umständen kann die klagende Partei aber auch – sogar noch in der letzten mündlichen Gerichtsverhandlung – beantragen, das das Arbeitsgericht das immer noch bestehende (da nun „unwirksam“ gekündigt) Arbeitsverhältnis wegen Unzumutbarkeit der Fortsetzung gegen Zahlung einer Abfindung auflöst. Wer partout nicht wieder auf der alten Stelle arbeiten möchte, dem bleibt (fast) nur dieser Ausweg.

In einem von uns betreuten Fall hat das Arbeitsgericht Zwickau auf die Anerkenntniserklärung des beklagten Arbeitgebers noch vor einem Gütetermin ein Anerkenntnisurteil erlassen, obwohl wir zuvor darauf hinwiesen, dass dies nicht zulässig ist ohne vorherige Anhörung der klagenden Partei. Unser Mandant wollte jedoch aufgrund der vom Arbeitgeber zunächst erhobenen Vorwürfe nicht wieder zurück und freute sich deshalb nicht über das Urteil, wonach die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendete.

Obwohl er „auf dem Papier“ gewonnen hatte, legten wir Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Zwickau ein. Wir verwiesen darauf, dass der Erlass eines Anerkenntnisurteiles in Kündigungsschutzverfahren ohne vorherige Anhörung des klagenden Partei nicht zulässig ist.

Und das Berufungsgericht gab uns letztlich Recht mit folgenden Ausführungen:

SächsLAG 3 Sa 324/19 (Hinweisbeschluss an Parteien)

„1. Nach vorläufiger Auffassung des Vorsitzenden ist die Berufung des Klägers zulässig. Eine Beschwer liegt entgegen der Auffassung der Beklagten vor.

 Die klagende Partei ist beschwert, wenn die angefochtene Entscheidung von ihren in der Instanz gestellten Anträgen abweicht (sog. formelle Beschwer). Das ist der Fall, wenn das Gericht über einen Sachantrag befunden hat, der nicht (mehr) Gegenstand des Rechtsstreits war, und zwar auch dann, wenn die Entscheidung der anfechtenden Partei scheinbar günstig ist. Denn auch aus der Zuerkennung eines Anspruchs können, insbesondere im materiellen Recht begründete, unerwünschte Folgen erwachsen, deren Beseitigung der betroffenen Partei möglich sein muss (so BGH, Urteil vom 12. März 2004 – V ZR 37/03 – Rz. 14, zitiert nach Juris).

 Ausgehend hiervon ist der Kläger durch das Anerkenntnisurteil vom 26.08.2019 beschwert.

Dies ergibt sich bereits daraus, dass der ausgeurteilte Weiterbeschäftigungsantrag im Zeitpunkt des Erlasses des Anerkenntnisurteils noch gar nicht zur Entscheidung stand, denn er war ausdrücklich nur für den Fall angekündigt, dass die Beklagte im Gütetermin nicht zu Protokoll des Gerichts erklärte, dass sie den Kläger weiterbeschäftigen werde, sofern ein der Klage stattgebendes Urteil ergehen sollte. Den darin liegenden Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO kann der Kläger mit seiner Berufung geltend machen.

Darüber hinaus durfte das Arbeitsgericht im Zeitpunkt des Erlasses des Anerkenntnisurteils – jedenfalls nicht ohne vorherige Anhörung des Klägers – nicht mehr davon ausgehen, dass der Kläger den Weiterbeschäftigungsantrag noch stellen wollte. Grundsätzlich kann das Gericht zwar davon ausgehen, dass ein einmal gestellter Sachantrag aufrechterhalten bleibt und ihn deshalb zur Grundlage seiner Entscheidung machen. Hält die klagende Partei dagegen an ihrem bisherigen Antrag erkennbar nicht fest, so darf das Gericht, dessen Entscheidungsbefugnis durch den Klageantrag beschränkt ist (§ 308 Satz 1 ZPO), über ihn nicht mehr befinden (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 2004 – V ZR 37/03 – Rz. 16, zitiert nach Juris).

Ausgehend hiervon war für Arbeitsgericht bei Erlass des Anerkenntnisurteils erkennbar, dass der Kläger beabsichtigte, statt des Weiterbeschäftigungsantrags einen Auflösungsantrag nach § 9 KSchG zu stellen. Bereits aus der von der Beklagten mit Schriftsatz vom 19.08.2019 vorgelegten außergerichtlichen Korrespondenz ergab sich die Absicht des Klägers ggf. einen Auflösungsantrag zu stellen. Zudem hatte der Kläger selber im Schriftsatz vom 23.08.2019 darauf hingewiesen, dass er die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung begehrte, um ggf. seine Rechte aus § 9 Abs. 1 Satz 3 KSchG wahren zu können.

Unabhängig vom Vorstehenden und selbständig tragend hat das Arbeitsgericht in der konkreten Situation durch seine Verfahrensweise den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Es durfte in der konkreten Situation kein Anerkenntnisurteil bezogen auf den Weiterbeschäftigungsantrag erlassen.

Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten im Prozess eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können. Dem Informationsanspruch der Parteien unterliegt der gesamte Prozessstoff, einschließlich der verfahrensbezogenen Handlungen der Gegenseite. Hierzu zählt auch das Anerkenntnis einer Partei. Entsprechend war das Arbeitsgericht verpflichtet, den Kläger vor Erlass des Anerkenntnisurteils über das Anerkenntnis der Beklagten bezogen auf den Weiterbeschäftigungsantrag im Schriftsatz vom 26.08.2019 zu informieren. Zwar ist nach der Neufassung des § 307 ZPO durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl I S. 1887) ein Antrag auf Erlass eines Anerkenntnisurteils nicht mehr erforderlich. Die klagende Partei muss jedoch die Möglichkeit zu einer Stellungnahme und zur Anpassung ihres Verhaltens an die neue prozessuale Situation erhalten. Sie kann im Einzelfall Anlass haben, sich zur Wirksamkeit oder Reichweite des Anerkenntnisses zu äußern oder einen weitergehenden, vom Anerkenntnis nicht umfassten Sachantrag zu stellen, z.B. den Antrag nach § 9 KSchG. Werden einer Partei diese Möglichkeiten durch die Verfahrensweise des Gerichts vorenthalten, ist der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 2004 – V ZR 37/03 – Rzn. 24/25, m.w.N., zitiert nach Juris). Vorliegend kommt hinzu, dass das Arbeitsgericht nach den konkreten, bereit oben dargestellten Umständen des Einzelfalls mit einer Reaktion des Klägers auf das Anerkenntnis rechnen musste.“

Am Ende haben sich die Parteien – wie so häufig in Kündigungsschutzverfahren – mit einer Abfindungsregelung verglichen.

Fazit

Es ist möglich, dass man „gewinnt und doch verliert“, wenn ein der Klage stattgebendes Urteil eben doch nicht das eigentliche Ziel ist. Doch mit fachkundiger anwaltlicher Unterstützung lohnt sich mancher Zug durch die Instanzen. Haben Sie zu Kündigungen und Arbeitsgerichtsverfahren Fragen, nehmen Sie doch mit uns Kontakt auf.