Wenn es keine Dienstvereinbarung für ein Arbeitszeitkonto gibt

Wenn es keine Dienstvereinbarung für ein Arbeitszeitkonto gibt

Wenn es keine Dienstvereinbarung für ein Arbeitszeitkonto gibt

In manchen kirchlichen Einrichtungen gelten besondere Regelungen für das Arbeitsrecht der betreffenden Arbeitnehmer*innen. In der Evangelisch Lutherischen Landeskirche Sachsen zum Beispiel die Kirchliche Dienstvertragsordnung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens (KDVO). Mit deren Regelungen sollten sich die Kirchgemeinden, Mitarbeitervertretungen und die Arbeitnehmer*innen auskennen. Werden Regelungen nicht beachtet und eingehalten oder gar genutzt, kann dies einen finanziellen Schaden verursachen. Wir zeigen dies am Beispiel der Frage nach einem Arbeitszeitkonto, welches regelmäßig der flexiblen Verteilung von Arbeitszeit auf Tage, Wochen oder Monate dient, und dem Umgang mit Mehrstunden bzw. Überstunden.

Nach § 6 I KDVO beträgt die regelmäßige Arbeitszeit ausschließlich der Pausen für vollbeschäftigte Mitarbeiter durchschnittlich 40 Stunden wöchentlich.

Nach § 7 VI KDVO sind  Mehrarbeit die Arbeitsstunden, die Teilzeitbeschäftigte über die vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit hinaus bis zur regelmäßigen  wöchentlichen Arbeitszeit von Vollbeschäftigten (§6 I = 40 Stunde/Woche) leisten.

Nach § 7 VII KDVO sind Überstunden die auf Anordnung des Anstellungsträgers geleisteten Arbeitsstunden, die über die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit von Vollbeschäftigten (§6 I = 40 h in der Woche) für die Woche dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich festgesetzten Arbeitsstunden hinausgehen  und nicht bis zum Ende der folgenden Kalenderwoche ausgeglichen werden.

Nach § 7 VIII KDVO sind abweichend von Absatz 7 (siehe vorstehender Absatz) nur die  Arbeitsstunden  Überstunden,  die die  vereinbarte  Obergrenze  bei  einem eingerichteten  Arbeitszeitkonto nach § 10 der KDVO außerhalb der darin genannten maximal möglichen Plusstundenzahl überschreiten und angeordnet worden sind.

Nach der Anmerkung zu § 7 VI KDVO gilt, sofern kein Arbeitszeitkonto nach § 10 eingerichtet ist, dass Mehrarbeitsstunden durch entsprechende Freizeit ausgeglichen werden können; für die Zeit des Freizeitausgleichs werden das Tabellenentgelt sowie die sonstigen, in Monatsbeträgen festgelegten  Entgeltbestandteile weitergezahlt.  Soweit ein Ausgleich nicht erfolgt, wird die Mehrarbeit vergütet (§ 22 III KDVO).

Nach § 8 I a) KDVO erhält ein Mitarbeiter neben dem Entgelt für die tatsächliche Arbeitsleistung Zeitzuschläge. Die Zeitzuschläge betragen – auch bei Teilzeitbeschäftigten – je Stunde für Überstunden in den Entgeltgruppen 1 bis 9 25%, in den Entgeltgruppen 10 bis 12 15 %.

Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 19.12.2018 (10 AZR 231/18) steht auch den teilzeitbeschäftigten Mitarbeiter*innen für Mehrarbeit ein entsprechender Zuschlag zu.

Nach § 10 I KDVO kann (nur) durch Dienstvereinbarung die Einführung von Arbeitszeitkonten vereinbart werden. Eine Regelung zu Vereinbarungen von Arbeitszeitkonten ohne Dienstvereinbarung, wie es in § 10 2a Kirchliche Arbeitsvertragsordnung EKD-Ost (KAVO EKD-Ost) festgehalten ist, besteht in der KDVO nicht.

Existiert keine Dienstvereinbarung, existiert auch keine wirksame Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos. Rechtsfolge ist die unmittelbare Anwendung der KDVO-Regelungen auf das jeweilige Arbeitsverhältnis, z.B. bei Überstunden – wie nachstehendes Beispiel zeigt.

Beispiel:

Ein Mitarbeiter mit der EG 9 und 40h/Woche – Vertrag leistet in einer Woche 2 Überstunden (insgesamt 42 Stunden Arbeitszeit). Ein Arbeitszeitkonto existiert mangels Dienstvereinbarung in der Einrichtung nicht.

Können die 2 geleisteten Überstunden in der folgenden Kalenderwoche ausgeglichen werden – also nur 38 h tatsächliche Wochenarbeitszeit, aber 40 h Vergütung – gelten diese 2 Stunden nicht (mehr) als Überstunden (wegen der Regelung in § 7 VII KDVO „…und nicht bis zum Ende der folgenden Kalenderwoche ausgeglichen werden.“).

Ist dieser Stundenabsatz in der Folgewoche jedoch nicht möglich, gelten die 2 Stunden als Überstunden und sind nach § 8 I a KDVO mit Zuschlag von 25 % (wegen EG 9 in unserem Beispiel) zu vergüten – mit der Abrechnung und Auszahlung für den Monat.

Würde hingegen eine Dienstvereinbarung existieren mit einem Arbeitszeitkonto von z.B. bis zu 40 Plusstunden und einem Übertragungszeitraum von z.B. 6 Monaten, könnten die 2 Überstunden – unterstellt der Kontostand im Arbeitszeitkonto ist und gerät nicht über 40 Plusstunden – innerhalb der nächsten 6 Monate abgesetzt werden (statt zwingend in der folgenden Kalenderwoche). Es gibt mehr Flexibilität in der Absetzung von Plusstunden, was sowohl meist den Arbeitnehmer*innen, aber auch den planenden Arbeitgeber*innen entgegenkommt.

Sollte ein Stundenabsatz innerhalb der 6 Monate nicht möglich sein, sind die 2 Überstunden – ohne Zuschläge (weil sie nach § 7 VIII KDVO nicht als Überstunden gelten, sondern als Plusstunden)  – zu vergüten. Mit einer Dienstvereinbarung zur Einrichtung eines Arbeitszeitkontos kann somit auch Geld gespart werden vom Träger der Einrichtung.

Fazit

In den Fällen, in denen keine Dienstvereinbarung für ein Arbeitszeitkonto existiert und die KDVO anwendbar ist, sollten Arbeitnehmer*innen (Voll- wie Teilzeitkräfte) kritisch ihre Arbeitszeiten und Abrechnungen der letzten drei Jahre (wegen BAG Pressemitteilung Nr. 36/19 und Verjährung) prüfen und etwaige Überstundenvergütung nebst Zuschlägen geltend machen und einfordern bzw. einklagen. Arbeitgeber*innen und Mitarbeitervertretungen sollten aufgrund der Flexibilisierung im beiderseitigen Interesse eine Dienstvereinbarung zur Einführung von Arbeitszeitkonten verhandeln. Die Mitarbeitervertretung ist hierzu zwingend zu beteiligen (§ 40 d MVG-EKD) und kann ggf. durch Anrufung des Kirchengerichtes nach § 47 II MVG-EKD die Verhandlung über eine Dienstvereinbarung erzwingen.

Falls Sie hierzu Fragen haben oder Hilfe in der Prüfung und Durchsetzung Ihrer Ansprüche benötigen, können Sie mit uns Kontakt aufnehmen.